Interview zur Industrietransformation mit Dr. Ron Lipka, Referatsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

 

Was macht die Industrietransformation aus und welche Rolle spielen Energieeffizienz-Expertinnen und -Experten dabei?

Die Industrie Deutschlands ist mit 755 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung und 10 Mio. Erwerbstätigen ein Pfeiler des Wohlstands. Gleichzeitig ist die Industrie für etwa 24 Prozent der Emissionen von Treibhausgasen (THG) in Deutschland verantwortlich.

Zudem ist die Industrie sehr vielfältig. Sektoren wie Chemie, Zement oder die Lebensmittelindustrie haben ganz unterschiedliche technologische Voraussetzungen. Die Transformationspfade sind deshalb sehr verschieden. Das macht die Industrietransformation komplex, aber auch so interessant!

Eine Gemeinsamkeit der Sektoren besteht jedoch beim vorherrschenden Potenzial, die Energieeffizienz noch weiter zu steigern. Zudem müssen alle Sektoren ihren Energiebedarf zukünftig über erneuerbare Energien decken – sei es direkt oder aber über erneuerbaren Strom oder grünen Wasserstoff. Mit erneuerbaren Energien erzeugter Strom wird häufig eine Schlüsselrolle spielen, um der Industrie die Hebung von Energieeffizienzpotenzialen wie auch bei der Dekarbonisierung zu unterstützen.

Warum gibt es seit September 2024 einen neuen Bereich „Anlagen und Prozesse“ auf www.energie-effizienz-experten.de?

Die Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft, kurz EEW, ist das zentrale Breiteninstrument, um Unternehmen bei Investitionen zur Dekarbonisierung sowie Steigerung der Energieeffizienz finanziell zu unterstützen. Das Interesse der Wirtschaft an der EEW zeigt sich an der hohen Zahl von Anträgen, allein etwa 14.000 im Jahr 2023. Auf dieser Basis wurden 2023 Fördermittel in Höhe von etwa 1,2 Mrd. Euro gewährt. All dies war aber nur möglich durch die hervorragende Arbeit von tausenden gelisteten Energieeffizienz-Expertinnen und -Experten, die im EEW-Förderverfahren eine zentrale Rolle haben.

Durch die Einführung des neuen Listenbereichs für Vorhaben im Bereich Industrie und Gewerbe erwarten wir, dass die EEW-Verfahren weiter beschleunigt werden können. Energieberatende mit entsprechender Spezialisierung profitieren zudem durch eine erhöhte Sichtbarkeit sowie eine Erweiterung des Schulungsangebots. Unternehmen auf der anderen Seite finden einfacher und schneller passgenaue Beratung und Begleitung investiver Maßnahmen.

Welche weiteren Maßnahmen sind im Rahmen dieses Projekts noch geplant?

Als zentrales Instrument der Qualitätssicherung werden wir ein Zusatzmodul „EEW“ inklusive Fortbildungskatalog erarbeiten, damit die gelisteten Energieeffizienz-Expertinnen und -Experten passgenaue und bundeseinheitliche Qualifikationsstandards erfüllen. Darüber hinaus planen wir – wie dies auch bereits für andere Listenbereiche gilt – vertiefte Überprüfungen von Expertinnen und Experten und stichprobenhafte Untersuchungen von Fortbildungen.

Wichtig ist uns zudem die Nutzfreundlichkeit der Expertenliste. Daher werden wir die Selbstangaben und Filter neu strukturieren, damit passende Expertinnen und Experten für die jeweiligen Projekte der Unternehmen leichter auffindbar sind. Zu guter Letzt wollen wir den neuen Listenbereich auch bekannter machen, damit die Zahl der Beratenden in der Liste der steigenden Nachfrage der Unternehmen gerecht wird.

Was macht den Erfolg der Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft aus?

Die EEW bietet eine breite Palette an Fördergegenständen. Das Förderprogramm ist technologieoffen und unterstützt die Transformation von Industrie und Gewerbe in Richtung Klimaneutralität bestmöglich in der vollen Breite der Wirtschaft – branchenübergreifend von kleinen Unternehmen bis hin zu Großkonzernen. Tausende Unternehmen profitieren davon jedes Jahr.

Wichtig für Unternehmen: Im Vergleich zu anderen Industrieförderprogrammen hat die EEW ein schnelles Antragsverfahren. Unternehmen können seit der letzten Novellierung schneller ihren Förderbescheid erhalten und mit Investitionen in die Dekarbonisierung beginnen. Anders als bisher müssen die sogenannten Investitionsmehrkosten nicht mehr aufwendig kalkuliert werden. Die Förderung kann nun direkt anteilig auf die gesamten Investitionskosten gewährt werden. Befragungen im Rahmen der Evaluation verweisen auf zufriedene Antragstellende.

Wichtig für die Politik: Die EEW wirkt und ist sehr kosteneffizient. Die bald veröffentlichte Evaluation 2023 zeigt den Erfolg. Es ist nicht nur das Bewilligungsvolumen der EEW erneut stark gestiegen, sondern mit durchschnittlich 71 Euro / Tonne CO2 ist auch die Fördereffizienz weiterhin ausgesprochen gut. In Zeiten zunehmend knapperer Haushaltskassen ist dies von entscheidender Bedeutung.

Wir bedanken uns für das Gespräch.